Andrea Schweiger

Glücksort Schule

Glücksort Schule ???? !!!!

Ja, das war sie für mich tatsächlich und ich sehe es immer mit Bedauern, wenn ich in die ungläubigen Gesichter von Menschen blicke, die meinen, dass dies ein Paradoxon sei.
Meine Vorgeschichte (41 Jahre lang Sonderschullehrerin) entnehmen Sie bitte meiner Homepage (Über mich, Themen).
Was waren nun diese „glücklich machenden“ Faktoren in meinem Beruf? Ich hatte über die Jahre hinweg reichlich Gelegenheit, dies für mich, auch in vielen reflektierenden Gesprächen mit Kolleg*innen und auch Studierenden herauszufinden.

  • Die Freiheit, vieles auszuprobieren. Das setzt natürlich eine gute Ausbildung voraus,
    damit man auf viele Tools und Inhalte zugreifen kann. Man konnte aber, wie selten in einem anderen Beruf, als junger, kreativer, engagierter Mensch auch eigene Ideen generieren, Eindrücke von außen aufgreifen und sie im Unterricht verwenden.
  • Auch kann und soll man seine eigenen Talente und Interessen einbringen. Als Lehrer*in hat man die Gelegenheit, seinen sportlichen, musikalischen, künstlerischen Neigungen in seiner Arbeitszeit zu frönen. Aber auch, wenn man gerne kocht, Tiere liebt, Gedichte lernt, ins Theater geht, Autos repariert, kurzum, sich für etwas begeistert, kann man seine Schüler*innen teilhaben lassen. Wir haben hier einen Raum für Selbstverwirklichung, den andere Berufstätige sich mühsam schaffen müssen.
  • Stichwort Begeisterungsfähigkeit. Sich selbst und andere für etwas zu begeistern, erleichtert und bereichert das Leben ungemein – nicht nur das Lehrerleben.
  • Das Hauptaugenmerk liegt auf der Beziehungsarbeit, denn wie ein kluger Mensch einmal sagte: „Beziehung ist nicht alles, aber ohne Beziehung ist alles nichts“.
    Ich habe einige Zeit darauf verschwendet, eine „gesunde“ Distanz aufzubauen, mich abzugrenzen, nicht so viel an mich heranzulassen, usw. – ich bin kläglich gescheitert. Erst, als ich diesen Teil meines Wesens, der immer „ganz oder gar nicht“ schreit, akzeptieren lernte, merkte ich, dass das auch ein Weg sein kann. Wohlgemerkt, nicht für jeden Menschen! Aber ich hatte immer das Gefühl, genauso viel zu bekommen wie ich den Kindern gegeben hatte.
    Auf jeden Fall führt diese jahrzehntelange Beziehungsarbeit zu einem gerüttelten Maß an Selbsterfahrung und einem lebenslangen Lernen in Punkto Selbstreflexion.
  • Ein ganz wichtiger Aspekt tauchte einmal im Rahmen eines Interviews, das eine Studentin mit mir gehalten hat, auf: das Thema Eigenmacht oder auch Selbstverantwortlichkeit. Vor vielen Jahren fragte diese junge Frau lange nach, ob es Situationen gäbe, in denen ich mich hilflos fühlte und wie oft dies vorkäme. Da bemerkte ich, dass dies nicht oft der Fall war. Es gab regelmäßig herausfordernde, schwierige Situationen, aber ich hatte meist das Gefühl, alles gut handhaben zu können. Aber ich will nicht verhehlen, dass das ein langer Prozess war und dass ich mir dieses dadurch entstandene Selbstvertrauen wirklich hart erarbeitet habe.Sehr dazu beigetragen hat die – heute für viele Junglehrer unvorstellbare – Tatsache, allein in der Klasse zu stehen. Man hat es nicht hinterfragt, so war es eben. Aber bei all den Vorteilen, die später das Team Teaching mit sich brachte, kam trotzdem manchmal diese leise Wehmut auf beim Gedanken an die Zeit, als meine Fehler noch meine Fehler waren, aber meine Erfolge auch meinen Bemühungen entsprangen. Die Arbeit und die Erfahrungen daraus waren unmittelbarer
  • Humor. Ich hatte ihn schon immer, bin aber erst im Zuge meiner Reflexionsphase draufgekommen, dass er wirklich ein unerlässliches Tool einer gelungenen Lehr- tätigkeit ist. Damit meine ich nicht diese gefürchteten Lehrerwitze, über die meist nur der Lehrer selbst lacht, jahrzehntealte Wortspiele, Witze auf Kosten von Kindern und abgedroschene Phrasen, sondern echter Humor, der vor allem auch Selbstironie beinhaltet und somit viel Ehrlichkeit und Authentizität.
  • Liebe. Keine Sorge, wenn Sie Kinder nicht a priori süß und liebenswert finden. Diese Art eines sehr idealisierenden Gefühls ist auch die, die vielen jungen, wohlmeinenden Lehrkräften als erstes abhandenkommt, wenn das Ideal auf die Realität trifft. Aber glauben Sie mir: Wenn Sie lange genug in diesem Beruf durchhalten und sich selbst die Zeit geben, kommt sie von selbst und die Kinder werden Ihre Kinder, und Sie müssen auf keinen Fall Eltern ersetzen oder mit den Schulkindern eigene Kinder ersetzen. Doch Sie werden für viele Heranwachsende wichtige Bezugspersonen sein, die viel zu ihrer Resilienz beitragen.
  • Und solange das mit der Liebe noch nicht so ganz klappt, bleiben noch Respekt und Wertschätzung. Das ist die kleinste Basis, die man jedem Lebewesen schuldet und das sollte jeder zu leisten imstande sein. Damit meine ich nicht nur Höflichkeit (eine Selbstverständlichkeit), sondern tatsächlich die Akzeptanz anderer Sicht- und Heran-gehensweisen. Eine Regel aus dem Beraterhandbuch: Jede*r ist der Spezialist für sein eigenes Problem. Auch wenn es schwerfällt und wir einen Erziehungs- und Bildungs-auftrag nebst einer Verantwortung für uns anvertraute Unmündige haben, je mehr Freiheit, Eigenmacht und Selbstverantwortung (siehe oben) wir ihnen zugestehen, umso mehr wird uns das oft geforderte Unterrichten auf Augenhöhe gelingen.

Im besten Fall wird auch bei Ihnen mit jedem Jahr der Respekt vor den Kindern, mit denen Sie arbeiten, wachsen und wenn Sie bereit dafür sind, dürfen auch Sie viel von den Kindern lernen.
Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, auch beinhaltet die Reihenfolge der Aufzählung keine Wertung. Ich möchte Ihnen mit dieser kleinen Auswahl an Faktoren nur die Augen öffnen für die Benefits dieses Berufes. Trotz aller Schwierigkeiten, einer über-bordenden Administration und teilweise dilettantischer Fehler im Schulsystem bin ich noch immer davon überzeugt, dass Sie sich für einen der schönsten Berufe entschieden haben, die es gibt. Trotz aller Sachzwänge, Restriktionen und teilweise unsinnigen Vorschriften und Erlässen bleiben Ihnen genügend Gestaltungsmöglichkeiten, um eine sinnstiftende und freudvolle Tätigkeit auszuüben.
Wenn Sie dabei Hilfe benötigen, sei es für einen kurzen Zeitraum oder auch für eine längere Prozessbegleitung, würde ich mich freuen, Ihnen zur Seite zu stehen.

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